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Alles was sich verkauft

27 Février 2024 , Rédigé par Madeleine Staeheli Toualbia Publié dans #clip hébdomaire

"Geist ist geil": Das ist die Überschrift eines Kurzartikels in der Schweizer Sonntagszeitung zu Buchclubs von Chanel, Dior und Co. vom 26.2.2024. Eine hübsche junge Dame, blondes langes Haar und Trench, sitzt in einer traditionellen mit dunklem Holz ausgestatteten Bibliothek auf einem Stuhl und liest. Und sie sieht nicht aus wie Claudia Schiffer oder Gisèle Bündchen, sondern wie die intelligente Kollegin aus der Schulklasse, also geistreich, Typ Gwyneth Paltrow. Neben ihr am Boden steht ein Shopper von Christian Dior. Doch man lernt: Die Privatbibliothek von Gwyneth Paltrow, um die es tatsächlich geht, wenn auch nicht im Bild, ist nicht allein ihr Werk, sondern das eines Beraters und Ausstatters. Der richtige Mix macht es, und hierzu lernen wir: Der richtige Mix symbolisiert Reichtum, oder anders herum gesagt: Wer reich ist oder es sein möchte, braucht eine Bibliothek mit den richtigen Design-, Architektur-, Mode- und Fotobildbänden, usw., also eine, wie sie Gwyneth Paltrow hat, in einer Zeit, in der der durchschnittliche IQ in den Industrienationen immer weiter zurückgehe.

Privatbibliotheken als Statussymbol: Was korrekt ist und es schon immer war, ist dennoch ein Affront für all jene , die ihre Bücher auch alle gelesen haben, und zwar, weil sie sie interessant fanden. Und ein Affront für all jene, die auch interessante Privatbibliotheken haben, aber nicht den richtigen Mix. Bücher der Intelligentsia als Kommerz. Saint Laurent hat im 7. Arrondissement in Paris einen Buchladen eröffnet. Man sollte sich beruhigen, wenn man liest, dass Kaia Gerber, Tochter von Model Cindy Crawford, einen eigenen Buchclub hat, doch stellt man sich vor, dass da auch zutrifft, was einige Zeilen weiter unten steht: man trägt dort sicherlich den angesagten Look "Librarian Core", so etwa Brillen mit dünner Fassung. Und es geht womöglich tatsächlich um intellektuelle Auseinandersetzungen. Buchclubs und Bibliotheken als die neuen In-places. für die gut Betuchten, die zu ihrem Geist Sorge tragen und denen ihr Äusseres nicht gleichgültig ist. Vielleicht die einen oder andern nur mit VIP-Zulassung, der richtigen Kleidung und bezahltem Eintrittsticket, also per definitionem nicht über die geistigen Fähigkeiten, sondern über Äusserlichkeiten, Darstellung und Einkauf. Man spürt die Gefahr, die lauert: Wenn das Kapital die Intelligentsia regiert, dann sind die Freigeister dazu gezwungen, sich in den weniger schicken Clubs zu treffen, die abschätzig zu Hinterhöfen deklassiert werden können und denen man alle Attribute des nicht-offiziellen oder halblegalen andichten kann - nur weil die Privatbibliothek nicht vollständig ist, die sich deshalb nicht für die angesagten Buchclubs eignet. Der Abstieg der Selbstbestimmten.

Ein Kompliment an Autorin Silke Wichert für diesen Text und dieses Thema.  

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